Kreuzwort

Das Kreuzwort ist ein Statement unserer christlichen Kirchen vor Ort. Es wird von wechselnden Autoren zu aktuellen Themen verfasst und erscheint immer samstags im Regionalteil des Main-Echos.

 

Kreuzwort vom 11. August 2023

 

von Dr. Ursula Silber ist Rektorin für Bildung im Martinushaus Aschaffenburg

Der Weg zum Ziel

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Zur Vorbereitung des Urlaubs studieren wir daheim am Wohnzimmertisch eifrig die Wanderkarten: Wohin lohnt sich ein Ausflug? Welcher Gipfel lockt uns? Ein Berg fällt uns gleich ins Auge: Der „Himmelreichskopf“ - ja, das wäre doch ein Ziel! Beim näheren Hinsehen folgt allerdings die Ernüchterung: Auf den „Himmelreichskopf“ führt auf der Karte kein Weg. Anscheinen ist es gar nicht so einfach, ins zu Himmelreich gelangen! Oder ist es gar ein unerreichbares Ziel?

Schon im 16. Jahrhundert entwarf der Karmelit Johannes vom Kreuz eine spirituelle Wanderkarte. Sie beschreibt den inneren Weg als Aufstieg auf einen Berg, auf dessen Gipfel Gott wohnt und sich finden lässt. Folgt man den vielen, ganz fein mit der Hand geschriebenen Wegbeschreibungen und Weg-Weisungen, so wartet kurz vor dem Gipfel eine Überraschung: „Ab hier gibt es keinen Weg mehr“, steht dort zu lesen. „Denn für diejenigen, die ganz nach Gottes Maßstäben leben, gibt es kein Gesetz.“ Gewagte Worte für einen Theologen und spirituellen Lehrer - aber immerhin wurde Johannes vom Kreuz heilig gesprochen. Und vielleicht ist es ja wirklich so: Routenplaner und Höhenprofile, Wegweiser und Markierungen sind durchaus hilfreich, sowohl für das Wandern im Urlaub wie auch (im übertragenen Sinn) für den Lebens-Weg und den Weg zu Gott. Letztlich darf ich mich aber nie ganz und gar auf diese Hilfsmittel verlassen. Ich muss selbst meinen Orientierungssinn einsetzen und herausfinden, in welche Richtung es geht und welcher nächste Schritt mich näher zum Ziel bringt. Keine App und keine Wanderkarte kann mir das abnehmen. Dabei ist es wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Und es hilft das Vertrauen darauf, dass der Weg unter meinen Füßen wächst, beim Gehen, wie durch ein Wunder. Und manchmal auch durch unwegsames Gelände, ohne Markierungen. 

Für den bevorstehenden Urlaub wünsche ich mir, dass ich beim Wandern immer wieder lerne: Oft gibt es nicht den einen, breiten, gut markierten Weg zum Ziel. Ich muss mich orientieren, Entscheidungen treffen, einen Weg suchen und finden. Vielleicht aber finden sich unscheinbare Pfade, Spuren von Menschen, die vor mir zum gleichen Ziel unterwegs waren; Pfade, denen ich folgen kann. Ob das beim „Himmelreichskopf“ im Thüringer Wald auch so sein wird? Zunächst einmal könnte ich ja mit dem „Vaterunsertal“ beginnen, das ganz in der Nähe liegt; hier gibt es immerhin einen markierten Wanderweg!